Die Jahrestagung im Ring der Vivariumschulen fand vom 22.-24. September 2022 am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal statt. Am Abend des 22.09.2022 begrüßten die Schulleiterin, Frau Claudia Schweizer-Motte, und der Kollege Christoph Welle die Kolleg*innen aus allen Gastschulen im Entree der Schule. Dort befindet sich dauerhaft die Mensa der Schule, die mit zahlreichen Schauterrarien und -aquarien ausgestattet ist. Somit ist das Thema Tierhaltung und Schulvivarium vom ersten Betreten des Gebäudes unmittelbar präsent. Direkt an das Entree schließt sich ein kleiner Tierraum an, der durch Glasscheiben einsehbar ist und unzählige weitere Terrarien und Aquarien umfasst. Hier werden Nachzuchten, wie z.B. Wasseragamen und Sumpfschildkröten, großgezogen und zugleich die Schlangen der Schule gehalten. – Aufgrund einer erfolgreichen Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde bietet die Schule auch zahlreichen Auffangtieren und geschützten Arten ein Zuhause.
Der erste Abend wurde mit einem kleinen Grillfest beschlossen, der durch Schüler*innen der Oberstufe ausgerichtet wurde.
Besuch im Grünen Zoo Wuppertal
Am Freitag, 23.9., begaben sich alle Teilnehmer*innen mit der Schwebebahn zum Grünen Zoo in Wuppertal, wo sie durch den Kurator und Tiermediziner Oliver Fischer mit dem thematischen Schwerpunkt auf das Artenschutzengagement und die Herpetologie geführt wurden. Als besondere Herausforderung im Artenschutz wurde dabei der für einheimische Amphibien tödliche Bsal-Pilz-Befall angesprochen (https://citizen-conservation.org/feuersalamander/). Auch der Grüne Zoo engagiert sich in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde in der Nachzucht stark gefährdeter Amphibien. Ein Schwerpunkt wird dabei auch auf exotische Arten gelegt, insbesondere auf die Madagaskar Frösche, wie z.B. das Goldfröschchen.
Der Zoo beteiligt sich an Europäischen Ex-Situ Programmen (EEP) mit eigenen Nachzuchten und verzeichnet hier zahlreiche Erfolge, insbesondere bei Fidschileguanen, Ägyptischen Landschildkröten, Gesägten Flachschildkröten und Rauschuppenpythons. Hierfür wurde ein ehemaliges Pinguinhaus zu einer Nachzuchtstation umgebaut.
Abschließend führte Herr Dießen durch das Aquarium und Reptilienhaus des Zoos. Insbesondere die Haltungsbedingungen von Korallenfingerlaubfröschen und Tomatenfröschen ließen die Teilnehmer*innen aufhorchen, da sich die Tiere für die Haltung und Nachzucht im schulischen Kontext eignen könnten. Auch auf die Herausforderungen in der Energieeinsparung, insbesondere durch die LED-Beleuchtung im Süß- und Meerwasserbereich, ging Herr Dießen ein. Im Bereich der Terraristik berichtete er andererseits über die Problematik in der Anwendung von UV-Beleuchtung bei San-Francisco-Strumpfbandnattern. Die Tiere zeigten nach längerer Zeit auffällige Hautveränderungen, die sich im Bereich der roten Schuppenfärbung als Hautkrebs herausstellten.
Digitalisierung im Vivarium
Am Freitagnachmittag kehrten alle Teilnehmer*innen in die Schule zurück und diskutierten weitere Themen, wie zum Beispiel den Aspekt der Digitalisierung im Vivarium. Dabei wurden verschiedene technische Möglichkeiten der Messwertermittlung in Terrarien besprochen, wobei unterschiedliche Bundesländer verschiedene Rahmenverträge für die digitale Ausstattung im MINT-Bereich haben.
- Arbeit mit Messsensoren (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtintensität) und Auslesen über ein Tablet (z.B. PHYWE)
- Überwachungskamera ins Internet streamen (z.B. Alegoo UNO R3, Arduino) mit Infrarot; Ohne akustische Übertragung, ggf. sind weitere Fragen des Datenschutzes mit dem Schulträger zu klären
- Anleitungsvideos als „nicht gelistet“ auf Youtube speichern und per QR-Generator verfügbar machen
- Zeitraffer-Videos (Beispiel: https://vimeo.com/486487430/9dd5bacde8), Schneckenpraktikum: Was fressen Schnecken am liebsten?
- Homepage, Instagram und Co, was lohnt sich?
- Zielgruppe SuS: Instagram/Tiktok
- Zielgruppe Eltern: Homepage
- Nützliche Apps:
- SPARKvue – das Handy als Messinstrument (z.B. als Luxmeter), Blattstellung imitieren und Auswirkungen auf die Fotosyntheseleistung untersuchen
- Flora Incognita – Bestimmungsapp für Pflanzen
- Kahoot-Quiz zu einzelnen Tieren erstellen
- Biparcour (https://biparcours.de/) – Parcour im Vivarium für den Tag der offenen Tür erstellen
- Seek – Bestimmungsapp für Tiere und Pflanzen (Abschließen von Missionen und Freischalten von Abzeichnen)
Austausch über unterrichtliche Inhalte
Darüber hinaus wurden zahlreiche unterrichtliche Themenaspekte und Unterrichtseinheiten ausgetauscht und besprochen.
- Beschreibe das Aussehen der z.B. Maus (beliebiges lebendes Tier verwenden). Lehrkraft oder Schüler*in zeichnet nach einigen angefertigten Beschreibungen ein Bild des Tiers an die Tafel. Erfahrungsgemäß entstehen sehr abstrakte Gemälde, anhand derer Merkmale einer guten Beschreibung thematisiert werden. Anschließend wird die Beschreibung wiederholt.
- Tiersteckbriefe in den Fremdsprachen anfertigen
- Zeichnen oder Modellieren von lebenden Tieren im Fach Kunst
- Präferenzversuche mit Achatschnecken, Asseln, Fauchschaben etc. (z.B. Temperaturorgel)
- Vivarien-TÜV: Sek II-Schüler*innen werden mit Messaufträgen in das Vivarium geschickt, erfassen je nach Möglichkeiten unterschiedliche Messwerte (Temperatur, Licht, pH-Wert etc.), zeichnen die Toleranzkurven und vergleichen diese mit den eigentlichen Habitatanforderungen gemäß behördlicher Vorgaben und Gutachten.
- Ökologische Nische am Beispiel von Zonierungen im Aquarium (z.B. Schneckenbuntbarsche und Julidochromis transcriptus)
- Mimikry und Mimese am Beispiel von Stabschrecken, Wandelnden Blättern, Lampropelten, Dreiecksnattern etc.
- Metamorphose am Beispiel von Amphibien und Käfern
Citizen Conservation – Haltung rettet Arten – Dr. Heiko Werning und Benny Trapp
Das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium ist gleich mit drei Arten am Citizen-Conservation-Programm (https://citizen-conservation.org/) beteiligt: Darunter die stark gefährdeten Krokodilmolche aus Vietnam, aber auch die bislang nicht gefährdeten Knochenkopfkröten und chinesischen Rotbauchunken. Bei letzteren beiden Arten geht es dem Programm darum, den Import von Wildfängen durch eigene Nachzuchten zu unterbinden. In diesem Zusammenhang war auch Dr. Heiko Werning am Samstag, 24.9., eingeladen, den Teilnehmer*innen der Tagung die Kooperationsmöglichkeiten für Schulen vorzustellen. – Eingangs führte Werning in wissenschaftliche Daten des durch den Menschen beeinflussten Arten- und insbesondere des Amphibiensterbens ein. Der Weltbiodiversitätsrat (kurz: IPBES) warnt seit Jahrzehnten vor dieser Herausforderung, von der vermutlich ein schwerwiegenderer Einfluss auf Ökosysteme ausgeht, als vom Klimawandel. Beides bedingt sich allerdings wechselseitig, ein Beispiel hierfür seien die ausgedehnten Waldbrände weltweit, so Werning.
Natur- und Artenschutzbemühungen gehen derzeit strategisch in zwei Richtungen: Auf der einen Seite der in-situ-Schutz im Freiland, der immer stärker von der Problematik der schwindenden natürlichen Lebensräume betroffen ist. Für viele Arten kommt diese Strategie bereits zu spät, da ihre natürlichen Lebensräume und Populationen längst vollständig verschwunden sind, wie beispielsweise beim Tafelberg-Baumsteiger aus Venezuela. – Die zweite Strategie nennt sich ex-situ und bedeutet die Nachzucht von stark gefährdeten Arten in menschlicher Obhut, also z.B. in Zoos und Aquarien. Citizen Conservation setzt diese erfolgreiche Strategie seit 2018 mit Tierhaltungen in privaten Haushalten, Vereinen und Schulen fort. Dabei ist eine gründliche Abwägung erforderlich, welche Tierarten gezielt für die Capacity-Building-Initiative (Populationsaufbau als genetische Reserve in menschlicher Obhut) in Frage kommen.
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Benny Trapp, Natur- und Tierfotograf, griff ergänzend die Frage nach dem Artbegriff auf und beschrieb die genetische und morphologische Untersuchung deutscher Ringelnattern, die sich in den vergangenen Jahren als unterschiedliche Arten herausstellten, nämlich die Ringelnatter (Natrix natrix natrix) und die Barrenringelnatter (Natrix natrix helvetica).
Der Schwerpunkt liegt seit Beginn der Initiative auf Amphibien, da sie die am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe (40% aller Amphibienarten gelten als bedroht) darstellen. Darüber ist diese Tiergruppe idealer Botschafter für die Biodiversitätskrise und kann für die sensiblen biologischen Zusammenhänge von Ökosystemen sensibilisieren.
Heiko Werning ging im weiteren Verlauf seines Vortrags auch auf die Anforderungen und systematischen Vorkehrungen im veterinärmedizinischen sowie im genetischen Monitoring der Bestände ein. Außerdem wurde der erforderliche Sachkundenachweis thematisiert und die künftige Wildtierdatenbank „Wild at Home“ vorgestellt, die durch das Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen der Bundesregierung gefördert wird.
Abschließend stellte Benny Trapp sein aktuelles Kinderbuch über einheimische Amphibien vor, welches er gemeinsam mit Alexa Sabarth (https://alexasabarth.de/) verfasst und gestaltet hat. Zudem berichtete er über die Herausforderungen des Feuersalamander-Projekts im Bergischen Land zur Aufnahme des ex-situ-Projekts. Während die natürliche Population mit zunehmender Geschwindigkeit durch Bsal-Befall verschwindet, sind die behördlichen Verfahrensgänge viel zu langwierig, um angemessen und schnell handeln zu können.
Abschließende interne Aussprache
Im Rahmen der internen Aussprache im Ring der Vivariumschulen wurden anstehende Schritte in der Kommunikation (neue Homepage und eine transparentere Kontaktstruktur) besprochen. Insbesondere wird auch eine direkte Verknüpfung in der Kommunikation zwischen dem Schulverteiler und Citizen Conservation eingerichtet. Die nächste Jahrestagung im Ring findet 2023 im Vivarium Oesede (http://vivarium-oesede.de/) am gleichnamigen Gymnasium in Georgsmarienhütte bei Osnabrück statt.
Darüber hinaus ist eine Online-Veranstaltung Anfang Februar 2023 geplant, um den Austausch im Ring weiter zu fördern und Neumitglieder in die Kommunikation direkt einzubeziehen.
Redaktion: Fabian Peter Koch & Rebecca Oehlandt, 24.09.2022