Donnerstag, 18.09.2025
Neues MINT-Excellence Cluster „Arbeiten mit dem lebenden Tier in der Schule“ gegründet
Anlässlich des diesjährigen Ringtreffens an der Liebfrauenschule in Bensheim ist ein neues MINT-EC im Rahmen des nationalen Excellence-Schulnetzwerks ins Leben gerufen worden. Unter dem Titel „Arbeiten mit dem lebenden Tier in der Schule“ trafen sich Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Schulen zur Gründungssitzung. Gastgeber war Dr. Nicolas Chalwatzis, Lehrer und Leiter des Schulvivariums der Liebfrauenschule. Die Geschäftsführerin von MINT-EC, Dr. Sarantidou, wohnte der Sitzung beratend bei.
Zu den Gründungsschulen zählen das Rudolph-Diesel-Gymnasium in Augsburg, die Modellschule Obersberg in Bad Hersfeld, das Gymnasium Fabritianum in Krefeld, die Max-Planck-Schule in Rüsselsheim sowie das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal, dessen Schulleiterin, OstD’in Claudia Schweitzer-Motte, die organisatorische Leitung des Clusters übernimmt.
Das Cluster hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Materialien zum Unterricht mit Vivariumstieren sollen gesichtet, erprobt und in eigenen digitalen Publikationen veröffentlicht werden. Außerdem möchte das Netzwerk Schulen beim Aufbau eigener MINT-Wettbewerbe und -Begabtenförderung beraten. Auch künftig soll es mindestens einmal im Jahr persönliche Zusammenkünfte geben. Zusätzlich sollen Sponsoren und Unterstützer gewonnen werden. Interessierte Schulen, auch außerhalb des MINT-EC-Netzwerks, können dem Cluster beitreten.
MINT-EC bündelt bundesweit Schulen der Sekundarstufe II mit besonderem Profil in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Die Aufnahme erfolgt jeweils zum 1. Mai nach Prüfung durch eine unabhängige Jury. Schülerinnen und Schüler haben darüber hinaus die Möglichkeit, ergänzend zum Abitur ein MINT-Zertifikat zu erwerben, das besondere wissenschaftliche Arbeiten und außerschulisches Engagement dokumentiert.
Das neu gegründete Cluster versteht sich als praxisnahes Forum, das den Umgang mit lebenden Tieren im Unterricht weiterentwickeln und erlebbar machen möchte. Auch Kooperationen mit externen Partnern wie dem ÖKOTarium Hamburg sind vorgesehen. Zudem fließen wissenschaftliche Projekte wie z.B. das „Insektenkarussell“ der RWTH Aachen in die Arbeit ein, um innovative Konzepte für die Biologie-Didaktik in den Schulalltag zu bringen.
Der erste Tag des Ringtreffens wurde durch eine gemeinsame Wanderung auf das Kirchberghäuschen und einen Grillabend auf dem Schulhof abgerundet, den die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe organisiert hatten.

Freitag, 19.09.2025
Lebendiger Biologieunterricht: Einblicke in Schule und Zoo
Am zweiten Tag der Tagung öffnete die Liebfrauenschule in Bensheim ihre Türen für ein besonderes Programm rund um die Futtertierzucht. Nach der Begrüßung durch Dr. Nicolas Chalwatzis und den Schulleiter der Schule, Mirko Schnegelberger, erhielten die Gäste spannende Einblicke in das Schulvivarium, das inzwischen weit mehr als ein außergewöhnliches Unterrichtsprojekt ist.
Entstanden war das Vivarium zunächst als Wahlpflichtkurs mit Stabschrecken. Erste Erfolge beim Tag der offenen Tür weckten schnell Begeisterung, bevor eine privat gehaltene Vogelspinne als Schulgast und Leopardgeckos den Durchbruch brachten. Heute beteiligen sich zahlreiche Schülerinnen an der Mädchenschule aktiv an der Pflege der Tiere und an Projekten von Citizen Conservation, etwa mit der Haltung von Pfeilgiftfröschen (Dendrobates tinctorius azureus, Phyllobates terribilis). Dr. Chalwatzis zeigte, wie Insekten wie Wickenblattläuse für die Fütterung gezüchtet werden können – vom Ankeimen der Pflanzen über die richtige Feuchtigkeit bis hin zu den Ansätzen für Fruchtfliegen. Die Jugendlichen erhalten dadurch praxisnahes Wissen in Biologie, Verantwortung im Umgang mit Tieren und Einblicke in Arten- und Naturschutz.

Ein weiterer Höhepunkt war die Führung durch Dr. Velte von der Zooschule im Zoo Vivarium Darmstadt. Er berichtete von der Sozialstruktur der Schopfmakaken und der Rolle des Zoos bei deren Haltung. Im Tropenhaus wurden die Besucher mit den langjährigen Zuchterfolgen des Stumpfkrokodils vertraut gemacht. Auch die Terrarienanlage, in der Bartagamen, Blauzungenskinke und eine Kragenechse gemeinsam gehalten werden, stand im Fokus. Darüber hinaus beleuchtete Dr. Velte die energiepolitischen Herausforderungen, die eine Reduktion der Terraristik notwendig machen, sowie die Beteiligung des Zoos an Citizen Conservation. Besonders eindrucksvoll waren die Beispiele seltener Arten wie des Madagaskar-Ährenfisches oder des San-Marco-Kärpflings, ebenso die Vorstellung des außergewöhnlichen Australischen Lungenfisches, der bereits 1970 nach Darmstadt gelangte.

Den Abschluss bildete ein praxisnaher Vortrag von Doris Chalwatzis zur Pflege und Auswilderung von Wildvögeln. Sie schilderte typische Situationen, in denen Schülerinnen und Schüler verletzte Jungvögel finden und in die Schule bringen. Die wichtigste Regel sei, die Tiere warm zu halten, sofort auf Katzenbisse zu prüfen und anschließend einem Tierarzt oder einer Wildtierpflegestation zu übergeben. Anhand anschaulicher Beispiele erklärte sie Symptome wie Hungerkot oder Durchfallerkrankungen und warnte eindringlich davor, Wasser in den Schnabel zu träufeln. Ergänzend stellte sie Methoden zur Aufzucht, Vergesellschaftung und vor allem zur Auswilderung vor. Dabei ging sie auf verschiedene Ansätze wie Bond-Release, Soft-Release und Hard-Release ein und betonte die Problematik der Fehlprägung, insbesondere bei Rabenvögeln. Weitere Informationen verwies sie auf die Plattform wildvogelhilfe.org.
Der Abend wurde durch ein gemeinsames Abendessen im benachbarten Gasthof abgerundet.

Samstag, 20.09.2025
Interne Ringaussprache stärkt Zusammenarbeit
Im Rahmen der Sitzung fand auch eine interne Ringaussprache statt, in der organisatorische Fragen geklärt wurden. Ein wichtiger Punkt war der Umgang mit Tierübergaben: Diese sollen künftig noch stärker in direkter Absprache zwischen den beteiligten Mitgliedern erfolgen. Gleichzeitig wird jede Übergabe im eigenen Tierbestand registriert und, falls erforderlich, an die zuständigen Stellen gemeldet.
Die gemeinsame Homepage entwickelt sich zunehmend zu einer zentralen Anlaufstelle. Sie bietet Schülerinnen und Schülern, Studierenden sowie Lehrkräften eine wertvolle Orientierungshilfe und wird von allen Seiten sehr gut angenommen. Fachartikel, die dort veröffentlicht sind, haben sich als verlässlich und praxisnah erwiesen. Um die Qualität dauerhaft zu sichern, wurden alle Mitglieder gebeten, ihre Inhalte regelmäßig zu überprüfen und Änderungen an die verantwortlichen Redakteur:innen weiterzugeben.
Auch zur Struktur des Rings selbst herrschte Einigkeit: Zwar können grundsätzlich alle Interessierten in den E-Mail-Verteiler aufgenommen werden, aktives Mitglied im Ring ist jedoch nur, wer regelmäßig an den Treffen teilnimmt oder in direktem Austausch mit den Koordinatorinnen und Koordinatoren steht. Auf diese Weise soll eine klare Basis für die weitere Zusammenarbeit geschaffen werden.

Fachvortrag: Haltungsfehler und Erkrankungen bei Reptilien und Amphibien
Im Rahmen der Veranstaltung hielt Dr. vet. Wenke Heuser (Seeheim-Jugenheim) einen hochinformativen Vortrag zu den häufigsten Haltungsfehlern und den daraus resultierenden Erkrankungen bei Reptilien und Amphibien. Gleich zu Beginn stellte sie klar, dass die wichtigste Voraussetzung für gesunde Tiere eine tiergerechte Haltung ist. Dabei spielen Faktoren wie Temperatur, Temperatursteuerung, Luftfeuchtigkeit, Belüftung, Platzangebot und ggf. die Nachahmung von Jahreszeiten eine entscheidende Rolle. Werden diese Grundbedingungen nicht erfüllt, sind Erkrankungen vorprogrammiert.
Ein zentrales Thema war die Metabolic Bone Disease (MBD), eine Erkrankung des Knochenstoffwechsels, die vor allem durch Vitamin-D3- und Kalziummangel entsteht. Ursachen liegen häufig im falschen Kalzium-Phosphat-Verhältnis (optimal 2:1), unzureichender oder falscher UV-Bestrahlung sowie einer ungeeigneten Ernährung, etwa durch Katzen- oder Hundefutter. Besonders betroffen sind herbivore und insektivore Reptilien sowie Amphibien. Bei Jungtieren zeigt sich dies oft als Rachitis, während adulte Tiere an fibröser Osteodystrophie leiden. Symptome reichen von Bewegungsunlust und Kotabsatzstörungen über Futterverweigerung und Prolaps bis hin zu Tremor oder Tetanie, insbesondere bei Echsen.
Dr. Heuser verdeutlichte dies am Beispiel griechischer und maurischer Landschildkröten sowie an Bartagamen und Leopardgeckos. Gerade Bartagamen können ihren Vitamin-D3-Bedarf nicht durch Futterergänzung allein decken, sondern sind auf UV-B-Strahlung angewiesen. Ein Mangel führt nicht selten dazu, dass Tiere Substratsand aufnehmen und daran versterben. Die Therapie besteht in einer konsequenten Verbesserung von Haltung und Fütterung, einer gezielten Supplementierung sowie dem Angebot geeigneter Futtertiere und Wildpflanzen.
Ein weiteres häufiges Krankheitsbild ist die Gicht, bei der Harnsäure nicht ausreichend ausgeschieden werden kann und sich in den Gelenken oder inneren Organen ablagert. Ursachen sind oft eine zu trockene Haltung oder eine übermäßige Proteinzufuhr. Betroffen sind sowohl Reptilien als auch Amphibien. Diagnostiziert wird Gicht durch Blutuntersuchungen, behandelt wird durch Optimierung der Haltungsbedingungen und gegebenenfalls den Einsatz von Allopurinol.
Auch Parasitosen stellen ein großes Problem dar. Oxyuren, Strongyliden, Rhabditiden, Kokzidien, Kryptosporidien oder Milben werden häufig schon während des Schlupfes übertragen, da Zuchttiere nicht ausreichend untersucht oder entwurmt sind. In den beengten Verhältnissen von Terrarien können sich Parasiten besonders stark verbreiten. Die Folge sind Durchfälle, Verstopfungen, Atemprobleme, Futterverweigerung oder herabgesetzte Aktivität. Bei Kornnattern können Kryptosporidien sogar Umfangsvermehrungen hervorrufen. Dr. Heuser empfahl daher regelmäßige Kotuntersuchungen beim Tierarzt oder über spezialisierte Labore wie Exomed (besonders für Amphibien) oder Laboclean (sehr gute Quarantänepläne abrufbar). Sie wies jedoch auch auf ein praktisches Problem hin: Ohne Vorstellung des Tieres dürfen Tierärzte keine Medikamente mehr versenden, was angesichts der geringen Tierarztdichte für Exoten in Deutschland große Schwierigkeiten bereitet.
Darüber hinaus ging sie auf Atemwegserkrankungen ein, die bei Schildkröten und Schlangen besonders verbreitet sind. Da diese Tiere kein Zwerchfell besitzen und Schlangen nur über einen schlecht durchbluteten Luftsack verfügen, ist die medikamentöse Behandlung erschwert. Infektiöse Ursachen wie Viren, Pilze und Bakterien sind möglich, häufiger jedoch sind haltungsbedingte Fehler wie zu niedrige Temperaturen, zu hohe Feuchtigkeit oder Stress. Auch Pneumonien bei Wasserschildkröten und Maulentzündungen (Stomatitis) bei Schlangen gehören zu den typischen Krankheitsbildern.
Zum Abschluss beantwortete Dr. Heuser Fragen zur Problematik von Salmonellen. Zwar können Reptilien Salmonellen übertragen, doch sind diese in den meisten Fällen nicht humanpathogen. Das Infektionsrisiko sei nicht höher als bei Hund oder Katze; im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, sich auf einem Spielplatz mit Spulwürmern anzustecken, sei ungleich größer.
Der Vortrag machte deutlich, wie eng Haltung, Ernährung und Gesundheit bei Reptilien und Amphibien miteinander verknüpft sind. Nur wer sich intensiv mit den biologischen Bedürfnissen dieser Tiere auseinandersetzt, kann ihre Gesunderhaltung sicherstellen und haltungsbedingte Erkrankungen vermeiden.
Weiterer Ausflug nach Weinheim
Ein großer Teil der Teilnehmenden schloss sich einem letzten Ausflug in das Vivarium im Pilgerhaus Weinheim an, wo Robin Wieser eine kleine Tier- und Artenschutzstation eingerichtet hat, um mit Kindern und Jugendlichen inklusiv und handlungsorientiert arbeiten zu können. Dabei leben hier Raritäten wie der Taubwaran.

Tagungsbericht des Ringtreffens in Bensheim, 18.-20.09.2025 von Fabian Kusterer, veröffentlicht am: 20.09.2025.